Auf unserem Schulhof steht seit fast 100 Jahren eine Statue aus Bronze. Ihr Name ist DORYPHṒROS, d.h. Speerträger.
Diese Statue ist die Kopie eines Werkes des griechischen Bildhauers POLYKLET, das er um 430 v.Chr. geschaffen hat.
Mit dem Doryphόros wollte Polyklet das Idealbild eines jungen Mannes schaffen. Er wollte zugleich Ruhe und Bewegung, Spannung und Entspannung, also ein Gleichgewicht der Kräfte zeigen, ja geradezu einen Ausgleich von Gegensätzen: Das Körpergewicht ruht auf dem rechten Bein, während das linke Bein noch in Bewegung zu sein scheint – nur die Fußspitze berührt den Boden.
Diese Art zu stehen nennt man Kontrapost, man spricht dann auch von „Standbein“ und „Spielbein“. Im Gegensatz dazu hängt der rechte Arm locker am Körper herab, während der linke angespannt ist und den Speer hält. Rechtes Bein und linker Arm sind also in Spannung, linkes Bein und rechter Arm erscheinen entspannt: der ganze Körper zeigt sich in einer harmonischen Balance.
Etwas anderes ist noch bemerkenswert: mit der Nacktheit des Körpers wollten die Griechen im Altertum ausdrücken, dass es nicht darauf ankommt, ob ein Mensch reich ist oder arm oder welche Herkunft er hat; nur auf den Menschen selbst kommt es an.
Und wie ist diese Statue nun auf unseren Schulhof gekommen?
1927 stifteten die ehemaligen Schüler ihrer alten Schule den Doryphόros zum Andenken an die im 1. Weltkrieg gefallenen Mitschüler und Lehrer. Ihre Namen wurden am Sockel des Denkmals angebracht.
Im 2. Weltkrieg (1939 – 1945) rettete der Hausmeister der Schule den Doryphόros vor Beschädigung und der Gefahr eingeschmolzen zu werden, indem er die Statue abbaute und im Schulkeller unter den Kohlen versteckte.
1951 wird der Doryphόros endlich wieder aufgestellt.
1967 ist der Neu- und Erweiterungsbau der Schule abgeschlossen, auch der Schulhof wird neugestaltet, und der Doryphόros wird nun ohne den Hinweis auf die Gefallenen neu platziert: er ist längst zu einem Wahrzeichen unserer Schule an der Dionysiusstraße geworden.
So erschüttert es die ganze Schulgemeinde, als in der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember 1985 der Kopf der Statue abgesägt wird. Doch in einem entschlossenen Kraftakt aller Mitglieder und Freunde der Schule kann ein Neuguß des Kopfes und so die Wiederherstellung der Statue bewerkstelligt werden.
1987: im Oktober wird das restaurierte Wahrzeichen der Schule in einer Feierstunde vom Oberbürgermeister der Stadt Krefeld enthüllt und der Schulgemeinde zurückgegeben.
Seitdem steht der Doryphόros nun wieder auf dem Schulhof und zeigt dem nachdenklichen Betrachter das Bild eines Menschen, der die Balance gefunden hat zwischen Dynamik und Ruhe, zwischen Aktivität und Entspannung, der sich seiner Kraft bewusst ist und dabei in sich ruht. Eine solche Ausgewogenheit zu erreichen ist schwierig, ist aber alle Anstrengung wert. – Kein schlechtes Vorbild für Kinder und Jugendliche.
Text und Bildbearbeitung: Hans-Dieter Klose
Foto: Sabine Alfter